31.10.2025 – 29.11.2025
Q18 | Quartier am Hafen, Köln

Installation view

Installation view 2

Ruth Weigand | Petra Gell

Bianca Pedrina

Martin Pfeifle | Nina Maria Küchler

Jérôme Chazeix

Susanne Piotter

Marit Wolters

Anna Bochkova

Ruth Weigand
Die Gruppe die „Gläserne Kette“ wurde
1919 von Bruno Taut (Pseudonym „Glas“) ins Leben gerufen. Unter den Architekten, Gestaltern und Stadtplanern der 1920er-Jahre wurden die Grundlagen und Anforderungen des Neuen Bauens in verschiedenen Foren intensiv diskutiert. Der wohl berühmteste Briefwechsel ist die „Gläserne Kette“, eine Art Kettenbrief. Man tauschte untereinander nicht nur Briefe sondern auch Handskizzen und Grafiken mit utopischen Architektur-Visionen aus, die oft auch Ausdruck eines radikal anderen Modells des Zusammenlebens waren. Die „Kette“ funktionierte so, dass jeder auf vorherige Beiträge Bezug nahm, um dann eigene Ideen einzubringen oder auch die Ideen der anderen weiterzuentwickeln. Diese Idee des Kettenbriefes soll nun in einer Ausstellung im Q18 mit einer Gruppe von zeitgenössischen KünstlerInnen die Referenz für eine Auseinandersetzung mit utopischer Architektur bilden. Ihre kuratorischen Fragestellungen hierfür sind: Nachhaltigkeit / soziale Fragen / (gescheiterte) utopische Architekturprojekte / Material-Transfers.
Bianca Pedrina
„Vienna Dust“, Dye sublimation print on fabric, 450 × 300 cm, 2024
Fotografie der staubigen Fassade des Künstlerhauses Wien auf Stoff gedruckt. Staubproben wurden von derselben Fassade entnommen und in einem Rasterelektronenmikroskop analysiert. Feinstaub legt weite Strecken durch die Luft zurück und ignoriert menschengemachte Grenzen.
Doch der größte Teil der Partikel in unserer Luft, stammt von uns selbst. Sie kommen aus unseren Industrieöfen und Kraftwerken, aus der Bauwirtschaft, aus der Zementproduktion, vom Reifen- und Bremsabrieb unserer Fahrzeuge und in geringerem Maße, von unseren eigenen Körpern. Zellen und Haare werden Teil des öffentlichen Raums, so wie der öffentliche Raum Teil von uns wird, wenn wir einatmen und die feinen Partikel über die Lunge in unseren Blutkreislauf gelangen.
Es stellt sich die Frage: Wo hören wir auf – und wo beginnt die Stadt?
Ruth Weigand
„o. T.“, Keramik, 93 × 93 × 4 cm, 2014
„o. T.“, Keramik, ca. 20 × 30 cm, 2025
Ruth Weigand arbeitet an der Schnittstelle von Skulptur, Zeichnung und Fotografie. In ihren Arbeiten thematisiert sie die Variabilität der Wahrnehmung von Raum und Form. Ihre Ausdrucksformen sind inspiriert von Archäologie, Geologie und Architektur. Aus einem physischen Dialog mit Materialien wie Keramik, Holz, Gips entstehen Arbeiten, die sich als Grenzgänger zwischen Genres und Medien verstehen.
Marit Wolters
„Pathfinder (B, C, D)“, Bronze, Each approx.
32 × 16 cm, 2024
Diese Bronzen greifen den Grundriss der Villa Tugendhat von Mies van der Rohe als Vorbild auf (jede steht für eine der Etagen), wirken aber wie archäologische Funde, deren Bedeutung nicht entziffert werden kann. Für mich sind sie fast etwas wie Wegzeichen, von denen man nicht genau weiß, wohin sie einen schicken sollen.
Petra Gell
„Deutzer Hafen inbetween“, Site-specific
Installation, 2025
Ein Ort des Übergangs, von einem pulsierenden Industriehafen zum neuen Stadtquartier. Im Moment ein Inbetween, der Vergangenheit und Zukunft, Nutzung und Leere, Rohheit und Planung. Es fasziniert mich das Unfertige, Offene, das im Werden begriffene. Eine sinnliche Spannung zwischen Wasser, Beton, Stahl, Rost, Kränen, alten Lagerhallen, spiegelnden Wasseroberflächen, das Licht, das Weite. Diese Textur dieses Ortes, ein Raum der gleichzeitig roh und poetisch ist. Der Hafen trägt Schichten von Arbeit, Handel, Transport und sozialem Wandel in sich.
Spuren von Industrie und ökonomischen Strukturen, im Material eingeschrieben. Der Deutzer Hafen steht stellvertretend für viele urbane Prozesse: Gentrifizierung, Stadtentwicklung, Verlust und Neubeginn. Orte verändern ihre Identität. Orte verändern meine Identität. Meine Arbeit kommentiert diese Transformation. Eine Erinnerung, ein Gefühl von Weite, der Geruch des Wassers, die Dynamik des Wassers, ein Moment des Innehaltens. Ein Ort persönlicher Resonanz und kollektiver Bedeutung.
Jérôme Chazeix
„Eine goldene Kuppel für Köln als verlorener Pokal. Eine Kristallsphäre aus der in der Mitte ein Fluß fließt und alchemistische Visionen
u. a. von Rudolf Steiner, der Klang der Planeten und der Künste, in Vordergrund treten“, Installation mit der Serie „Rudolf Steiner“ 2013, „Cosmos“ 2011, 3 goldene Aquarelle „Taut“ 2025, „Tautzitat“, Tinte auf Milimeterpapier, 2025
Jérôme Chazeix entfaltet eine neue Konstellation von Werken, die uns in den visionären Kosmos von Bruno Taut eintauchen lässt.
Seine Installation erforscht die Bezüge und Resonanzen rund um die Idee der Verschmelzung der Künste und zeichnet dabei die ästhetische Sprache des Architekten nach – von der Intimität des Interieurs bis zur kristallinen Geometrie der Facettierung, von formaler Strenge bis zur Üppigkeit des Dekorativen.
Chazeix komponiert eine poetische Phantasmagorie, in der Taut innerhalb einer hypothetischen alchemistischen Sphäre verortet wird – einem Raum, in dem Vorstellungskraft, Materie und Mystik zusammenfließen.
Der Titel von Chazeix’ Installation eröffnet vielfältige Zugänge zu seiner künstlerischen Methode: „Eine goldene Kuppel für Köln – eine verlorene Trophäe; eine Kristallsphäre, durch die ein Fluss fließt; ein Ort, an dem alchemistische Visionen – unter ihnen jene Rudolf Steiners – den Klang der Planeten und die Harmonie der Künste heraufbeschwören.“
Susanne Piotter
„Modular Construction No. 2“, Beton und
Acrylfarbe, 79,5 × 25 × 25 cm, 2024/2025
Susanne Piotter begreift Beton nicht nur als
Material, sondern auch als Medium künstlerischer Reflexion.
Ihre Arbeiten verbinden Struktur, Modularität und räumliche Wahrnehmung und erweitern so den traditionellen Begriff der Skulptur.
Martin Pfeifle
„map“, Hartfaserplatten, ca. 507 × 240 cm,
2018, aktualisiert mit Aluminiumfolie 2025
Die Wandarbeit stellt ein Polyeder dar. Es ist eine Auffaltung eines dreidimensionalen Körpers, die das Prinzip der Dymaxion-Weltkarte zeigt. Martin Pfeifle nutzt dieses von Fuller entwickelte Prinzip, um auf einfache Weise eine zweidimensionale geometrische Wandarbeit zu erzeugen.
Nina Maria Küchler
„Die fragilen Städte“, Sublimationsdruck auf
Chiffon, ca. 80 × 300 cm, 2022
Die Werke „Die fragilen Städte” bestehen aus säulenförmigen Textildrucken von Betonfassaden, die im Raum schweben. Die Motive hierfür sind Formsteinfassaden sozialistischer Gebäude in Ostteil Berlins, entstanden Mitte des 20. Jahrhunderts im Kontext des sozialen Wohnungsbaus der ehemaligen DDR.
Der Titel der Serie basiert auf Passagen aus Italo Calvinos „Die unsichtbaren Städte“. Darin skizziert der Autor fiktive Städte, die jeweils eine bestimmte geografische, historische oder soziale Situation beschreiben.
Anna Bochkova
„Liquid Base“, mixed Media, mehrteilig, 2025
In ihrer Serie Liquid Base untersucht Anna Bochkova den Einfluss vergangener modernistischer Utopien auf unsere Gegenwart, inspiriert von Bruno Tauts Sozialwohnungen und seiner Vision der „Alpenarchitektur“. Die Formen der Wachsskulpturen erinnern an maßgefertigte Paneele aus Fertighaussiedlungen, haben jedoch ihre eigenen einzigartigen Proportionen, die es uns ermöglichen, die Vergangenheit auf neue Weise zu erleben. Fragmente von Texten aus Bochkovas Kindheit sind in den durchscheinenden Körpern eingeschlossen, während Glas, Pappe und andere Materialien mit dem Wachs verschmelzen. Das Wachs bewahrt die Spuren von Bewegung, Raum und Erinnerung und schafft so dichte und komplexe Strukturen.
Die Arbeiten greifen auch McLuhans Idee der Architektur als „dritte Haut“ auf und berücksichtigen Flussers Gedanken zu Migration und neuen Lebensformen. Auf diese Weise werden die
Skulpturen zu einem lebendigen
Archiv, das physische Erfahrung, emotionale Erinnerung und Sozialgeschichte miteinander verbindet. Durch ihre Proportionen und Materialität hinterfragen sie, wie Tauts Utopien der Vergangenheit uns heute noch beeinflussen und wie wir sie am eigenen Leib erfahren können.
